[Wai] [Familie] [Bergvölker] [Seevölker]

 

   

 

Volksstämme in Thailand

Seevölker

Im Süden Thailands, entlang der Andamanen-Küste, leben die Seevölker. Sie haben sich kaum mit den Thailändern vermischt und sich ihre eigene Sprache und Tradition erhalten.

 

     

 

   
   

Seevölker waren ursprünglich nomadische Seefahrer indo-malayischer Herkunft mit einem sehr einfachen Lebensstil, der ausschließlich auf dem beruhte, was das Meer hergab. Wahrscheinlich vor drei Jahrhunderten flohen sie vor Unruhen in Indonesien in die Andamanen-See.

Zu Zeiten, als langsame Handelsschiffe der Holländer, Spanier und Portugiesen zu ihren Kolonien unterwegs waren, waren die Seevölker als Piraten gefürchtet. Die Hochsee-Inseln zwischen Phuket und Penang boten genügend Verstecke, so dass die Straße von Malacca in diesen Zeiten als die gefährlichste in ganz Asien galt.

Mit dem Aussterben der Kolonialschifffahrt gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Seevölker, sich entlang der Andamanen-Küste anzusiedeln. Auf Phuket und Ko Lanta im heutigen Thailand dürften ihre ersten Siedlungen gelegen sein. 1909 entstanden die Siedlungen auf den bis dahin unbewohnten Inseln Ko Lipe und Ko Adang im heutigen Turatao Nationalpark mit Erlaubnis der Briten, die verhindern wollten, dass sich so nahe der malayischen Insel Lankawi Thailänder festsetzen würden.

Dabei konnten sie kaum einen schöneren und abgeschiedeneren Lebensraum gewinnen. Auf beiden Inseln finden sich weiße Sandstrände, die vom türkisfarbenen Wasser umspült werden. Pulau Lipe (chao le für "flach") liegt wie ein vornehmer, bewaldeter Juwel in der See. Pulau Hadak (chao le für "stark") besteht aus bewaldeten Granitgebirgen, die einen dramatischen Hintergrund für die die Küste umspannenden Dörfer der Chao Le bilden.

Von ihren Siedlungen auf Lipe und Adang hatten die Chao Le die besten Voraussetzungen, Fisch und andere Meeresfrüchte sowie Seegurken aus dem umgebenden Meer zu ernten. Damit und mit selbst angebauten Agrarprodukten begannen sie einen Handel mit dem Festland.

Nachdem sie sich in der Neuzeit an verschiedenen Orten Südthailands niedergelassen, Grund und Boden sowie Namen angenommen und als Bürger etabliert haben, werden sie heute auch Thai Mai genannt, was soviel wie „neue Thai” bedeutet.

 

 
 

Herkunft

Der oft verwendete Begriff „Seezigeuner" ist diskriminierend. Ich werde daher nur die offizielle Thai-Bezeichnung „Chao Le“ bzw. die deutsche Übersetzung „Seevölker“ verwenden.

 

   
   

Von den Chao Le sind drei verschiedene Gruppen bekannt.

Die Moken im Norden, von den Tavoy- und Matthews-Inseln in Burma, den Surin- und Ra-Inseln in Thailand bis zum Dorf Rawai am südlichen Ende von Phuket.

Die Moklen bewohnen die Zentralregion mit Phra Thong-Inseln sowie die Küstendörfer Thai Muang und Laem Lar am nördlichen Ende von Phuket.

Die Urak Lawoi sind die größte Gruppe. Ihr Lebensbereich erstreckt sich von den Sireh-Inseln an Phukets östlicher Küste über die Inseln Hay, Phi Phi, Lanta, Pu, Libong und Lipe bis zur malayischen Insel Langkawi.

Die Gruppen untereinander unterhalten enge Beziehungen, haben sich jedoch kaum mit der thailändischen Bevölkerung vermischt. Ihre Sprache entstammt der malayisch-indonesischen Sprachfamilie. Eine Schrift haben sie nicht. Aus ihren Wörtern Pulau (Insel) und Piapi (Mangroven) setzte sich der ursprüngliche Name Pulau Piapi der heutigen Phi-Phi-Inseln zusammen.

 

 
 

Untergruppen u. Sprache

 

   
   

Die Chao Le leben auch heute noch überwiegend vom Fischfang. Auch Hummer und wohlschmeckende Meeresfrüchte stehen auf ihrem Speiseplan. Daneben ernten sie – in manchmal lebensgefährlichen Kletterpartien an den Steilküsten der Inseln – Vogelnester für die chinesische Küche. Ebenso gefährlich ist ihre Technik des Tauchens nach Perlen: Mit Steinbrocken beschwert tauchen sie ohne Schutzanzüge in Tiefen, für die ein Mensch einfach nicht geschaffen ist. Den übermäßigen Druck, dem sie sich dabei aussetzen, haben viele nicht überlebt.

Heute finden sie manchmal ein sicheres Auskommen im Tourismus. Ihr Pfahldorf auf Ko Panyi ist ein beliebter Zwischenstopp auf vielen Tagestouren in der Bucht von Pang Nga. Auch auf Ko Phi Phi und im Phuket-Dorf Rawai haben sie sich darauf eingerichtet, von Touristen besucht und fotografiert zu werden, und verkaufen Textilien, Schmuck, Korallen und Muscheln.

Doch ihr Glück haben dabei die wenigsten gefunden. Die Isolation vom wohlhabenden Leben der Thai wird besonders in der Siedlung auf Ko Siray spürbar. Viele haben sich der Monotonie ergeben und flüchten sich in Resignation und Alkohol.

Die Provinzregierung versucht zwar, die Chao Le zu integrieren, scheitert jedoch oft an althergebrachten Vorbehalten. So sollen die Kinder eigentlich die in Thailand üblichen sechs Jahre eine Schule besuchen, werden aber oft von den Eltern, die selbst kaum Thai sprechen, zurückgehalten, weil sie der Meinung sind, sie seien bei der Arbeit weit nützlicher. Es ist eine selbst gewählte Isolation, die es ihnen nicht einfach macht, an der thailändischen Gesellschaft Teil zu haben.

Äußerlich unterscheiden sie sich ein wenig von den Thai. Ihre Haut ist dunkler, sie haben gelocktes Haar mit rötlichem Schimmer und buschige Augenbrauen. Sie sprechen ihre eigene Sprache und haben ihre eigenen traditionellen Riten. Als matriarchalische Gesellschaft ist es für sie nichts außergewöhnliches, wenn Frauen Seite an Seite mit ihren Männern auf den Schiffen arbeiten und im dörflichen Leben kraftvoll „ihren Mann“ stehen.

 

 
 

Lebensumstände

Felshütte

Hütte

Eine Felshütte

Im Gespräch mit Touristen

   
   

Als den Naturgewalten ausgesetztes Volk glauben die Chao Le an das Übernatürliche und verehren die traditionellen Geister. Sie sind nach wie vor Animisten, auch wenn sich viele als Buddhisten oder Moslems, wenige auch als Christen bezeichnen.

 

 
 

Religion

 

   
   

Der Animismus spiegelt sich auch heute noch in den farbenprächtigen Zeremonien der Chao Le wieder. Darunter ist besonders das zweimal im Jahr, jeweils zu Beginn und zum Ende der Regenzeit stattfindende Loy-Rüa-Fest (Schwimmende Boote) bekannt. Es dient der Beschwichtigung der See, die sie in den vergangenen Monaten ausgebeutet haben.

Dabei wird von den Männern des Dorfes ein symbolisches Segelboot prahu von etwa zweieinhalb Meter Länge aus Bambus gebaut. Unter den religiösen Gesängen eines Priesters wird neben kleinen Holzfiguren alles in das Boot gepackt, was Böses enthält. Die Dorfbewohner reiben ihre Körper mit Puffreis Khao Thok ein, der ihre Krankheiten und Unzulänglichkeiten aufnimmt, dann werfen sie ihn ins Boot. Dazu kommen abgeschnittene Fingernägel und Haare, in denen das Böse aus dem Körper ausgewachsen ist.

Hier sind sie noch einmal ganz die Chao Le, frei vom Einfluss der Thailänder. Das wird gebührend gefeiert, bis in die tiefe Nacht hinein. Am frühen Morgen, vor Sonnenaufgang, wird das Boot auf das Meer geschleppt, bleibt aber noch in Sichtweite der am Ufer stehenden Beobachter. Hier wartet man auf einen günstigen Wind, der das Boot forttragen und keinesfalls zurück zum Ufer treiben lassen soll. Das nämlich würde großes Unglück bedeuten. Deshalb hat man am Strand zusätzlich große Kreuze aufgestellt, die ein zurück kommen des Bootes ebenfalls verhindern sollen. Rechtzeitig vor den ersten Sonnenstrahlen muss das Boot jedoch vom Wind erfasst und auf das offene Meer getrieben werden. Das Warten auf den richtigen Wind vor dem Hintergrund des drohenden Sonnenaufgangs ist extrem spannend für die Zuschauer am Strand, und ein erlösendes Lächeln stellt sich auf ihren Gesichtern ein, wenn alles gut geht.

Es ist ein freudiges Ereignis für Jedermann, wenn das Boot fortschwimmt und alles Böse mit sich nimmt.

 

 
 

Loy Rüa

Loy Rüa findet zweimal im Jahr, jeweils an Vollmond im 6. und im 11. Monat des Thai-Kalenders statt (Sep./Okt. und Feb./Mär.).

 

   
   

Das jährliche Fest Pitee Wai That wird zu Ehren von Toh Kiri, dem Gründer der Gemeinde vor 100 Jahren abgehalten.

Zur Begräbniszeremonie gehört das Pflanzen einer Kokospalme, verbunden mit dem Wunsch, dass die Kinder des Verschiedenen ein langes, gesundes Leben haben sollen.

 

 
 

Sonstiges

 

   
   

Seit die Briten 1909 den Chao Le erlaubten, die bis dahin unbewohnten Inseln Ko Lipe und Ko Adang zu besiedeln, haben sie dort Probleme mit der thailändischen Obrigkeit. Die Gründung des Tarutao-Nationalparks, der 51 Inseln und 1.200 Quadratkilometer Seegebiet umfasst, ging einher mit dem Verbot jedweder Fischerei und Ansiedlung innerhalb des Parkgebietes. 1972 wurde die Existenz der Chao Le hier gesetzlich verboten, allerdings ohne die gewaltsame Vertreibung der bereits Ansässigen. Stattdessen versucht die staatliche Parkverwaltung einen Mittelweg zwischen den noblen Zielen des Naturschutzes und den Rechten der Bevölkerung zu finden. So toleriert sie das Fischen und den Ackerbau für den Eigenbedarf der Chao Le.

Die Chao Le und die Parkverwaltung sind verständlicherweise nicht immer einer Meinung, die Widersprüche haben in der Vergangenheit bereits zu gewaltsamen Konflikten geführt.

In neuerer Zeit haben die Spannungen jedoch nachgelassen. Die Ranger und die Chao Le haben gelernt miteinander auszukommen. Der Tourismus hat dazu geführt, dass die Chao Le weniger abhängig von der Fischerei geworden sind. Viele Thailänder sagen ihnen auch heute noch, dass sie hier nur geduldet sind – sie selbst aber betonen, dass sie zuerst hier waren.

Trotz dieser Spannungen leben die Chao Le gerne in Thailand. Queen Mother, die Mutter von Rama IX, veranlasste zur Förderung der Integration, dass sie Thai-Familiennamen bekamen, den sie heute mit Stolz tragen. Allerdings hat man den Eindruck, dass jeder Zweite, dem man begegnet, den Familiennamen Hantale trägt, was auf Thai „Unerschrockener des Meeres“ heißt.

 

 
 

Probleme

 

   
   

Viele Tagestouren in die Bucht von Phang Nga machen einen Zwischenstopp im Pfahldorf auf Ko Panyi, meist zum Mittagessen. Mehrere große Restaurants haben sich darauf eingerichtet. Hier haben leckere Fische kaum zehn Meter bis zur Bratpfanne…

In den dahinter liegenden Shops werden Kleidung und Schmuck, Muscheln und Korallen verkauft.

Das Dorf der Chao Le auf Ko Lipe ist von jeder Stelle auf der Insel gut erreichbar und bietet einen Eindruck von der anderen Seite des Lebens im Paradies. Mit einer Ansammlung von Wellblechbaracken mit Fernsehantennen entspricht es nicht gerade der Postkarten-Idylle. Die breite, von Palmen gesäumte Hauptstraße, die zum Meer ausgerichteten Hütten und die am weißen Sandstrand spielenden Kinder aber vermitteln den Eindruck, dass es weit schlechtere Plätze zum Arm sein gibt.

Talo Puya, die Siedlung auf Ko Adang dagegen ist abgelegen und nicht so leicht erreichbar.

 

 
 

Reisetipp

Ko Panyi

Foto-Galerie Pfahldorf

 

   
                 


Letzte Aktualisierung dieser Seite: 10.06.2004